Wichtige finanzielle Unterstützung für Betroffene von sexuellem Missbrauch muss weitergehen!

Presse

AVALON unterstützt als Fachberatungsstelle betroffene Menschen in der Antragstellung für das ergänzende Hilfesystem kurz EHS. Dieser Hilfsfonds ist ein Ergebnis aus der Arbeit des Rundes Tisches „Kindesmissbrauch“ (www.rundertisch-kindesmissbrauch.de). Ziel war es, Betroffenen den Zugang zu Hilfeleistungen zu ermöglichen und Finanzierungen bis zu 10.000€ pro betroffener Person zu übernehmen.

Dieser Fonds ist durch Finanzeinlagen der Länder eingerichtet worden. Nun soll zum 30.04.2016 das Ende dieser Hilfeleistung erfolgen. AVALON kooperiert mit der DGfPI, deren Stellungnahme wir Ihnen nachfolgend Newsletter anhängen.

Wir finden, es ist ein Skandal, dass diese Hilfeleistung eingestellt werden soll und fordern eine unbefristete Verlängerung des Fonds.

Stellungnahme des bff, der BAG FORSA und der DGfPI zum drohenden Ende des Ergänzenden Hilfesystems (EHS) zum 30.04.2016

Wichtige Unterstützung für Betroffene sexuellen Missbrauchs muss weitergehen

Dem bff als Bundesverband der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe, der BAG FORSA, Bundesarbeitsgemeinschaft Feministischer Organisationen gegen Sexuelle Gewalt an Mädchen und Frauen, und der DGfPI als Fachverband des Kinderschutzes und Koordinierungsstelle des Ergänzenden Hilfesystems (EHS) ist die nachhaltige Verbesserung und Sicherung von Hilfen für Betroffene ein besonderes Anliegen.

Aus dieser Perspektive fordern bff, BAG FORSA und DGfPI, das EHS über den 30.04.2016 hinaus abzusichern und in eine Regelförderung zu übertragen.

In der Abschlussveröffentlichung des Runden Tisches „Sexueller Kindesmissbrauch in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen in privaten und öffentlichen Einrichtungen und im familiären Bereich“ (RT KM) wurde die Errichtung eines Ergänzenden Hilfesystems für Betroffene sexuellen Missbrauchs in allen Bereichen gefordert und als zeitlich begrenzte Unterstützungsmöglichkeit eingerichtet. Es sollte bis zur Reform des Opferentschädigungsgesetzes (OEG) für Betroffene Hilfen und Unterstützung unbürokratisch bereitstellen.
Menschen, die in ihrer Kindheit oder Jugend sexualisierte Gewalt in der Familie oder im Rahmen von Heimerziehung erlebt haben und bis heute unter den Folgen leiden, können seit Mai 2013 Unterstützung durch das Ergänzende Hilfesystem beantragen. Die Antragstellung kann für die Betroffenen mit hohen Belastungen und Hürden verbunden sein, weshalb mit etwas Verzögerung eine Begleitung durch qualifizierte Fachberatungsstellen etabliert wurde.

Die Möglichkeit zur Antragstellung endet jedoch am 30.04.2016, obwohl dem Fonds die Länder erst sehr spät bzw. noch gar nicht beigetreten sind und bei Weitem die Mittel des Fonds noch nicht erschöpft sind.

Die geplante Reform des OEG hat bisher nicht stattgefunden. Demnach gibt es entgegen den Empfehlungen des Runden Tisches nach Einstellung des Fonds für Betroffene keine dauerhaft angelegten, geeigneten und sichtbaren Hilfestrukturen, die zur Anerkennung des erlittenen Leides beitragen. Die Folgen sexualisierter Gewalt können für Betroffene sehr gravierend und lang anhaltend sein. Daraus entstehende notwendige Behandlungen sind durch das Gesundheitssystem allerdings zu oft nicht abgedeckt. Im Sinne einer bedarfsgerechten Unterstützung von Betroffenen ist das nicht hinnehmbar. Der bff, die BAG FORSA und die DGfPI halten es daher für unbedingt erforderlich, die Laufzeit des Ergänzenden Hilfesystems zu verlängern und zugleich die notwendige Reform des OEG voranzubringen. Auch sind der Fond und die Vielfalt an Leistungssystemen, aus denen Hilfen beantragt werden können, nach wie vor zu wenig bekannt und kaum überschaubar, weshalb eine Beratung von Betroffenen bei der Antragstellung durch professionelle Beraterinnen und Berater weiterhin, wie im Rahmen des EHS, ermöglicht werden sollte. Der bff, die BAG FORSA und die DGfPI fordern, dass auch diese Unterstützungsmöglichkeit durch Fachkräfte weiterhin erhalten bleibt und honoriert wird.

Aus Sicht der Betroffenen sind wichtige Bestandteile des EHS unverzichtbar und müssen erhalten bleiben:

  • Anerkennung des erlittenen Leides ohne Beweislast aufseiten der Betroffenen, dass sexuelle Gewalt stattgefunden hat;
  • individualisierte, sachleistungsbezogene finanzielle Unterstützung bei der Bewältigung der durch den Missbrauch verursachten Folgen;
  • kostenfreie, fachlich qualifizierte Unterstützung durch Fachberatungsstellen;
  • dadurch gestützte Sicherung von Betroffenen in den unterschiedlichen Lebenssituationen;
  • Möglichkeit der Anonymität.

Diese Art der Unterstützung ist weder im Gesundheitssystem noch im OEG gegeben. Auch die geplante Änderung des OEG sieht eine solche Unterstützung, wie sie vom Runden Tisch gefordert wurde, nicht vor.

Aus Sicht der Betroffenen ist die Einstellung des EHS ohne eine Überführung in andere gesicherte Strukturen ein Rückschritt in mehrfacher Hinsicht:

Zum einen bestätigt diese Vorgehensweise die Erfahrungen von Betroffenen, dass die Aufarbeitung ihrer Gewalterfahrungen als individuelles Problem betrachtet wird, für das keine angemessenen, rechtlich bindenden Hilfen existieren.

Zum anderen erschwert die alleinige Verortung von Hilfen und (finanziellen) Unterstützungen im Gesundheits- bzw. im Rechtssystem eine bedarfsgerechte niedrigschwellige und daten-geschützte Hilfe.

Es war ein Anliegen der Bundesregierung, die Geltendmachung der Rechte von Betroffenen wesentlich zu erleichtern. Die geforderten Verbesserungen sind bis heute nicht eingetreten.
Deshalb fordern wir eine Verlängerung des Fonds, bis es zu einer grundsätzlichen Verbesserung der bestehenden Hilfesysteme gekommen ist, damit Betroffene weiterhin in zumutbarer Weise ihre Ansprüche geltend machen können.

Hier können Sie sich die Stellungnahme auch als PDF ansehen und herunterladen: